Liebesgrüße nach Moskau
Da in der EU alle so grauslich zu ihm sind, ist der griechische
Premier Alexis Tsipras leider gezwungen, sich nettere Freunde
zu suchen. Zum Glück hat er schon einen gefunden.
Putin: Mein lieber Freund! Schön, dass Sie hier sind! Hatten
Sie einen angenehmen Flug?
Tsipras: Ja, danke. Wir sind Ihrer unverbindlichen Routenempfehlung
gefolgt und haben den Luftraum über der Ost-Ukraine gemieden.
Putin: Sehr vernünftig. Dort sind die Luftschichtungen so
was von labil – da kommt es gern einmal zu unangenehmen
Turbulenzen.
Tsipras: Ja, das hab ich auch schon in vielen gut informierten
Internetforen gelesen.
Putin: Nun, kommen wir doch gleich zur Sache. Zeit ist Geld.
Tsipras: Wenn es nur so einfach wäre.
Putin: Sie sind also gekommen, weil Sie ein starkes Zeichen gegen
die ungerechtfertigten und von imperialistischer Anmaßung
getriebenen EU-Sanktionen, unter denen das friedfertige Russland
zu leiden hat, setzen wollen.
Tsipras: Ja. Also … auch. Umso mehr, als Griechenland ja
in einer vergleichbaren Situation ist. Auch unsere nationale Souveränität
wird mit Füßen getreten. Wie Sie ja wissen, will man
uns kein Geld geben, ohne unsere Bedingungen dafür zu akzeptieren.
Putin: Tja. So sind sie, diese hässlichen Kapitalisten. Und
als Nächstes wollen sie es wahrscheinlich auch noch irgendwann
einmal zurückhaben.
Tsipras: Na ja, theoretisch schon. Aber im Endeffekt eh nicht
wirklich. Sie sind zwar ungustiös, aber nicht unrealistisch.
Sie wissen nur noch nicht, wie sie das den ausgebeuteten
Massen in ihren Ländern verkaufen sollen, weil die das ja
am Ende … Ach, egal.
Putin: Ich gehe davon aus, dass Sie sicherlich schon analysiert
haben, wie denn Ihr Land überhaupt in diese unerfreuliche
Lage kommen konnte.
Tsipras: Selbstverständlich. Nach ebenso eingehender wie
schonungsloser Aufarbeitung aller Fakten sind wir zu einem wasserdichten
und unbestreitbaren Ergebnis gekommen: Die Deutschen sind schuld.
Putin: Erstaunlich! Was unsere Situation betrifft, ist es im Prinzip
genauso!
Tsipras: Die haben ja sogar im Fernsehen einen aus dem Zusammenhang
gerissenen Mittelfinger meines
Finanzministers gezeigt!
Putin: Wenn sie das mit mir machen, besetze ich den Teil von
Ostpreußen, den ich noch nicht habe.
Tsipras: Das wäre verständlich, nach so einem Affront.
Aber … gehört der jetzt nicht zu Polen?
Putin: Na und? Würde das den Affront weniger empörend
machen?
Tsipras: Nein, natürlich nicht.
Putin: Allerdings darf man bei der Problematik, die Russland betrifft,
keinesfalls den ebenso schädlichen wie schändlichen
Beitrag der USA außer Acht lassen.
Tsipras: Das versteht sich ja wohl von selbst. Gibt es denn irgendein
Problem auf der Welt, bei dem man den ebenso schädlichen
wie schändlichen Beitrag der USA außer Acht lassen
kann?
Putin: Das ist zwar sehr schön, dass Sie das erkennen –
aber auf der anderen Seite ist Ihr Land NATO-Mitglied.
Tsipras: Eins nach dem anderen. Jetzt vergraulen wir einmal die
EU – und dann sehen wir weiter.
Putin: Sie sind ein sehr aufgeweckter junger Mann. Mit einem
hervorragenden Verständnis weltpolitischer wie auch wirtschaftlicher
Zusammenhänge und einem untrüglichen Gespür für
die einzig richtige Ausgestaltung von Freund/Feind-Schemata.
Tsipras: Danke. Solch hohes Lob freut mich natürlich sehr.
Und es bringt mich auch gleich zu einer Frage: Sie haben nicht
zufällig ein bisschen Kohle herumliegen, die Sie gerade nicht
brauchen? Müsste gar nicht viel sein … Zwei, drei,
zehn Milliarden?
Putin: Nun ja … Im Moment ist das ein bisschen schwierig.
Da ist zum einen die große Sozialoffensive, mit der wir
dafür sorgen, dass es dem russischen Durchschnittsbürger
an rein gar nichts fehlt – und zum anderen der künstlich
niedrig gehaltene Ölpreis, mit dem man das russische Wirtschaftswunder
torpediert. Wenn ich trotzdem irgendwo was fände …
Ich gehe davon aus, Sie würden es zurückzahlen?
Tsipras: Öh … Nun gut, lassen Sie mich meine Frage
anders formulieren: Brauchen Sie irgendwas? Griechisches Obst,
das trotz dieser unseligen Sanktionen irgendwie den Weg in russische
Supermärkte findet?
Putin: Möglich. Obwohl es dem russischen Durchschnittsbürger
ja wie gesagt an rein gar nichts fehlt.
Tsipras: Oder wie wäre es mit einem hübschen
Hafen am Mittelmeer? Saloniki vielleicht?
Putin: Ich dachte, Sie wollen keine weiteren Privatisierungen?
Tsipras: Wäre das denn privat?
Putin: Endlich einmal ein Westpolitiker, mit dem man vernünftig
reden kann! Also, außer dem Orban natürlich. Und der
Le Pen, dem Strache, dem Wilders …
Tsipras: Moment! Das sind aber bitte böse Rechte. Ich hingegen
…
Putin: Und lustig ist er auch noch!