Mann ohne Nerven
Bundeskanzler Faymann war beim nie geführten profil-Neujahrsinterview
leider ein wenig angespannt – schon bevor die alles entscheidende
Frage gestellt wurde.
profil: Schönen guten Tag, Herr Bundeskanzler.
Wie geht es Ihnen?
Faymann: Na, des hätt i mir ja denken können. Des is
ja wieder amoi typisch.
profil: Äh … was denn?
Faymann: Dass Sie glei mit so ana gfeanzten Frag anfangen.
profil: Aber ich wollte doch nur ein bisschen Smalltalk machen,
bevor wir mit dem eigentlichen Interview beginnen.
Faymann: Ah, da schau her! Mir zerscht deppert kommen –
und es dann a no abstreiten! Weil es ja überhaupt net offensichtlich
is, was Sie in diese Kriegserklärung von Frage so alles hineinverpackt
ham, net wahr?
profil: Ich verstehe ehrlich nicht, was Sie meinen.
Faymann: Warum ham Sie denn Ihre Frage net glei so formuliert,
wie sie in Wirklichkeit gemeint war? Also zum Beispiel so: „Wie
geht es Ihnen – nachdem Sie von Ihrer eigenen Partei so
hergrichtet worden san? Und von der Bures Dorli so klug verteidigt?“
profil: Das wollte ich aber mit meiner Frage wirklich nicht …
Faymann: Oder: „Wie geht es Ihnen damit, dass Ihre Partei
von Ihnen eine Steuerreform erwartet, für die Sie die KPÖ
als Koalitionspartner bräuchten? Und wie geht es Ihnen damit,
dass Sie net amoi dann, wenn Sie diese Steuerreform wirklich zsammbringen
sollten, Ihre Ruh haben werden?“
profil: Werde ich nicht?
Faymann: Nein! Weil es ja natürlich so sein wird, dass die
Herrn Landeshäuptlinge Sie zuerst noch dringend brauchen
werden – wenn auch nur als Teschek für den Fall, dass
sie ihre Landtagswahlen in dem Jahr verlieren!
profil: Aber es ist doch schön, wenn man gebraucht wird!
Lassen Sie mich an diesen wunderbaren Gedanken anschließend
meine Frage zum Jahreswechsel, die ich eigentlich stellen …
Faymann: Also, Herr Faymann: „Spätestens, wenn dann
der Häupl Michl die Wahl in Wien versemmelt und natürlich
Ihnen die Schuld dran gegeben haben wird – wie wird es Ihnen
damit gehen, dass Sie dann die längste Zeit Bundeskanzler
gewesen sein werden?“
profil: Sorry, jetzt bin ich ausgestiegen. Das war mir viel zu
viel Futur II auf einmal. Wann werden Sie was warum gewesen sein
werden?
Faymann: Jetzt tun Sie nicht schon wieder so scheinheilig!
profil: Dieses Interview entwickelt sich etwas anders, als von
mir angedacht.
Faymann: In der ehrlichen Kurzform lautet Ihre Frage: „Wie
geht es Ihnen eigentlich so als dead man walking?“
profil: Herr Bundeskanzler, ich verstehe ja, dass Sie möglicherweise
ein wenig frustriert sind, aber ich möchte
Ihnen versichern, dass ich eigentlich auf etwas ganz anderes hinauswo…
Faymann: Frustriert? I bin net frustriert. Frustriert bin i, wenn
mi der Pendl Otto beim Scrabble besiegt.
profil: Dann sind Sie eh ein starker Mensch, wenn Sie da nur
frustriert sind. Andere würden so ein Ereignis zum Anlass
nehmen, ihr bisheriges Leben gründlich zu überdenken.
Faymann: Jetzt hingegen bin i so irrsinnig angfressen, dass es
net zum Derspeiben is! Jeden Tag steht in irgendan Schasblattl:
„2015 wird Faymanns Schicksalsjahr!“ Wer hat mi denn
net gwählt beim Parteitag, ha? De SJ. Und nur wegen denen
hab i jetzt des ganze Theater? Was wollen de überhaupt vo
mir? I mein, i war ja auch amoi jung und deppert. Aber so jung
war i nie.
profil: Das hätte ich auch nie von Ihnen angenommen.
Faymann: Und jetzt … Egal, wo man hinkommt: überall
betretene Blicke. Mitleidiges Tuscheln hinter meinem Rücken.
Und letztens hat sogar ein Taxler zu mir gesagt: „Aber eins
sag ich Ihnen gleich – in unser Branche kommen S’
besser net zruck!“ Sie wollen wissen, wie’s mir geht?
Danke der Nachfrage: Beschissen! Und? Sind Sie jetzt zufrieden,
Sie Unmensch?
profil: Nein! Das ist alles ein schreckliches Missverständnis.
Ich meine, ich verstehe ja Ihre Probleme. Aber es ist so: Das
hier soll nur ein klitzekleines Neujahrsinterview für die
Kurzseite werden. Da hat ja das alles gar keinen Platz.
Faymann: Net?
profil: Eigentlich war überhaupt nur eine einzige Frage geplant.
Faymann: Nur eine? Welche?
profil: Beim Bleigießen zu Silvester – was ist da
bei Ihnen herausgekommen?
Faymann: Was? Des wollen Sie von mir wissen? Des is alles?
profil: Ja. Ist nur so als kleines Auflockerungselement gedacht.
Human Touch und so, Sie wissen eh.
Faymann: Scheiße!
profil: Ja, ich weiß. Bei mir schaut’s auch immer
so aus. Aber das kann ich ja nicht schreiben. War es eher ein
… Wal? Oder eine Madonna mit Kind? Oder …
Faymann: Wissen S’ was? Ham S’ mi gern!
profil: Öh … Na ja. Da geht’s mir glaub ich wie
den meisten anderen: Ich kann nichts versprechen.